Inhalt
- 1 Das Wichtigste vorab kurz zusammengefasst
- 2 Was bedeutet Reverse Charge Verfahren – Definition
- 3 Wie unterscheiden sich Reverse Charge Verfahren, innergemeinschaftliche Lieferungen und OSS Verfahren?
- 4 Vorteile des Reverse Charge Verfahrens
- 5 Nachteile des Reverse Charge Verfahrens
- 6 Rolle des Reverse Charge Verfahrens im E-Commerce
- 7 Rechnungsstellung im Reverse Charge Verfahren
- 8 Fazit
- 9 FAQ
Verkäufe ins Ausland bieten neue Chancen und sind insbesondere im E-Commerce recht einfach umsetzbar. Allerdings sollten die steuerlichen Aspekte beachtet werden. Denn bei Lieferungen von Waren oder Dienstleistungen ins Ausland entsteht dort eine Pflicht zur Abführung der Mehrwertsteuer. Allerdings gibt es hierzu Ausnahmen und mithilfe des Reverse Charge Verfahrens kann die Steuerschuld umgekehrt werden. In diesem Fall ist der Empfänger im Bestimmungsland der Leistungen für die Abführung der Umsatzsteuer zuständig und der Verkäufer stellt lediglich eine Nettorechnung aus. Erfahren Sie hier mehr darüber, wann diese Sonderregelung der Mehrwertsteuer anwendbar ist und wann nicht und wie die Rechnungen ausgestellt werden müssen.
Das Wichtigste vorab kurz zusammengefasst
- Das Reverse Charge Verfahren wird auch als Umkehrung der Steuerschuld bezeichnet.
- Die Verantwortung zur Abführung der Umsatzsteuer wird dabei vom leistenden Unternehmen auf den Leistungsempfänger übertragen.
- Angewendet wird das Verfahren vor allem bei grenzüberschreitenden Transaktionen innerhalb der EU im B2B Bereich.
- Es sind nur bestimmte Leistungen und Lieferungen für dieses Verfahren zugelassen.
- Fulfillment Leistungen im E-Commerce können Gegenstand einer Reverse Charge Rechnung sein.
- Für den Verkauf an Endkunden ist das Reverse Charge Verfahren nicht zulässig.
- Der Verwaltungsaufwand für die Umsatzsteuerabrechnung wird durch das Reverse Charge Verfahren reduziert.
- Das Finanzamt muss dementsprechend im Ausland nicht aufwändig Steuern eintreiben.
Was bedeutet Reverse Charge Verfahren – Definition
Das Reverse Charge Verfahren (auch Reverse-Charge-Verfahren) wird als “Umkehr der Steuerschuld” bezeichnet, weil bei der Anwendung dieses speziellen Verfahrens nicht der Verkäufer, sondern der Kunde die Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen muss. Anwendbar ist das Reverse Charge Verfahren ausschließlich im Bereich B2B und nur bei bestimmten Arten von Leistungen.
Wo ist das Reverse Charge Verfahren gesetzlich verankert?
Das Reverse Charge Verfahren ist im Umsatzsteuergesetz in § 13 b UStG geregelt. Dort ist auch aufgeführt, in welchen Fällen diese Sonderregelung der Umsatzsteuerabführung angewendet werden kann.
Wann wird das Reverse Charge Verfahren angewendet?
Grundsätzlich darf das Reverse Charge Verfahren ausschließlich im Bereich B2B (Handel zwischen Unternehmen) angewendet werden.
Zudem sind lediglich folgende Leistungen per Reverse Charge Verfahren regelbar:
- Werklieferungen durch ausländische Unternehmen in Deutschland.
- Lieferungen von Erdgas oder Elektrizität nach Deutschland durch ein ausländisches Unternehmen
- Lieferungen von Erdgas oder Elektrizität innerhalb Deutschlands (bei Wiederverkäufen).
- Verkauf von Emissionszertifikaten.
- Lieferungen von Altmetallen, Schrott oder Gold (ab einem bestimmten Feingehalt).
- Lieferungen von edlen und unedlen Metallen im Wert von mindestens 5.000 Euro.
- Lieferungen von bestimmten Mobilfunkgeräten im Wert von mindestens 5.000 Euro.
- Lieferung von sicherheitsübereigneten Gegenständen außerhalb eines Insolvenzverfahrens.
- Gebäudereinigungsleistungen durch Subunternehmer.
- Leistungen eines ausländischen Unternehmens, falls die Leistungen steuerpflichtig sind und der Unternehmer eine USt-ID-Nummer aufweisen kann.
- Unter das Grunderwerbsgesetz fallende Umsätze.
Sie sind unsicher, ob Ihre Leistungen an andere Unternehmen unter das Reverse Charge Verfahren fallen? Sie wissen nicht genau, wie Sie die entsprechenden Rechnungen ausstellen sollen? Dann wenden Sie sich vertrauensvoll an die Datax Steuerberatungsgesellschaft. Als Steuerexperten für E-Commerce und internationalen Handel kennen wir uns sowohl mit dem Reverse Charge Verfahren als auch mit innergemeinschaftlichen Verbringungen sowie mit dem OSS-Verfahren hervorragend aus. Wir helfen Ihnen, die richtigen Verfahren anzuwenden. Lernen Sie uns kennen und erfahren Sie mehr!
Gilt das Reverse Charge Verfahren für elektronische Dienstleistungen?
Für auf elektronischem Wege erbrachte Leistungen kann das Reverse Charge Verfahren ebenfalls eine Rolle spielen.
Beispiele für elektronische Dienstleistungen sind:
- Bereitstellung von Websites.
- Hosting von Websites.
- Fernwartung von elektronischen Systemen.
- Online Bereitstellung von Speicherplatz (z.B. Cloud)
- Gewährung Zugang bzw. Download von Software, Updates, Fotos, Filmen oder E-Books.
Geregelt ist dies in UstAE Abschn. 3a 12 Abs. 3.
Keine elektronischen Dienstleistungen sind übrigens Leistungen, bei denen Internet oder elektronische Leitungen lediglich als Kommunikationsmittel dienen, wie zum Beispiel persönlicher Fernunterricht, Beratungsleistungen, telefonische Helpdesk sowie online gebuchte Beherbergungsleistungen o.ä.
Mehr Informationen zu elektronischen Dienstleistungen und deren Versteuerung erfahren Sie hier.
Das Reverse Charge Verfahren kann bei digitalen Dienstleistungen in den Fällen Anwendung finden, in denen es sich um Leistungen gemäß § 13 b UStG zwischen Unternehmen (B2B) handelt und die Leistung in Deutschland erstellt und in einem anderen EU-Land (dem Bestimmungsland) genutzt (erbracht) wird.
Falls Leistungen an Endkunden (B2C) verkauft werden, kann entweder das OSS-Verfahren zum Tragen kommen oder (bei Umsätzen von insgesamt weniger als 10.000 Euro pro Jahr = Lieferschwelle) die Umsatzsteuer in Deutschland abgeführt werden, das Reverse Charge Verfahren findet dann keine Anwendung.
Wann greift das Reverse Charge Verfahren nicht?
Für Lieferungen und Leistungen, die für Unternehmen in Ländern außerhalb der EU erbracht werden, ist das Reverse Charge Verfahren nicht anwendbar. Falls also Leistungen in ein Drittland außerhalb der EU verkauft werden, kann das Verfahren daher nicht genutzt werden. Diese Leistungen gelten in Deutschland als umsatzsteuerfrei.
Darüber hinaus kann das Reverse Charge Verfahren nur für Transaktionen zwischen Unternehmen (B2B) und nicht für Verkäufe an Endkunden (B2C) angewendet werden.
In welchen Ländern gilt das Reverse Charge Verfahren?
Das Reverse Charge Verfahren ist anwendbar für Lieferungen und Leistungen innerhalb der EU im Bereich B2B und in den oben erwähnten Fällen. Das Verfahren kann dabei auch von im Ausland ansässigen Unternehmen genutzt werden.
Wie unterscheiden sich Reverse Charge Verfahren, innergemeinschaftliche Lieferungen und OSS Verfahren?
Im Gegensatz zu innergemeinschaftlichen Leistungen, die grundsätzlich umsatzsteuerfrei sind, ist das Reverse Charge Verfahren auch für im Ausland ansässige Unternehmer anwendbar. Grundsätzlich sind Reverse Charge und innergemeinschaftliche Leistungen für den Bereich B2B (Business-to-Business) relevant, während für Verkäufe innerhalb der EU an Endkunden (B2C – Business-to-Consumer) das OSS-Verfahren relevant ist.
Vorteile des Reverse Charge Verfahrens
Das Reverse Charge Verfahren dient in erster Linie der Vereinfachung und Erleichterung der Steuererhebung im Bereich der Mehrwertsteuer. Da der Empfänger für die Abführung der Mehrwertsteuer verantwortlich ist, entfallen offizielle Steueranmeldungen und das Finanzamt muss keine Steuerschulden im Ausland eintreiben.
Nachteile des Reverse Charge Verfahrens
Kleinunternehmer weisen in ihren Ausgangsrechnungen grundsätzlich keine Umsatzsteuer aus, können im Gegenzug jedoch auch keine Vorsteuer geltend machen bei Ausgaben. Das Gleiche gilt für das Reverse Charge Verfahren. Falls Kleinunternehmen im Ausland Waren oder Dienstleistungen bestellen, müssen sie die Mehrwertsteuer an das deutsche Finanzamt abführen, können diese jedoch nicht als Vorsteuer geltend machen.
Expertentipp
Dipl.-Kfm. Alexander Pyzalski
Rolle des Reverse Charge Verfahrens im E-Commerce
Der Onlinehandel boomt und für zahlreiche unserer Mandanten aus dem Bereich E-Commerce bieten sich hier vielversprechende Chancen auf internationale Verkäufe. Diese erfolgen jedoch in der Mehrzahl direkt an den Endkunden, als B2C. Daher ist das Reverse Charge Verfahren hier in der Regel nicht anwendbar. Innergemeinschaftliche Verbringungen sind allerdings auch im E-Commerce üblich, diese gelten grundsätzlich als umsatzsteuerfrei. Für die Leistungen von Fulfillment Dienstleistern im E-Commerce spielt das Reverse Charge Verfahren jedoch eine Rolle, so rechnet zum Beispiel Amazon seine FBA Leistungen über sein in Luxemburg ansässiges Unternehmen ab, diese unterliegen dann dem Reverse Charge Verfahren.
Für den Onlinehandel ist im Endeffekt das Thema OSS-Verfahren, über das wir Sie hier detaillierter informieren, in der Regel relevanter.
Die Aufgabe einer Steuerberatungsgesellschaft besteht in diesem Zusammenhang im Wesentlichen darin, die einzelnen Themenbereiche professionell voneinander abzugrenzen und die Mandanten darin zu unterstützen, die jeweiligen Verfahren korrekt anzuwenden. Suchen Sie daher unbedingt frühzeitig eine Steuerberatungskanzlei, die sich im internationalen Handel sehr gut auskennt und Sie in steuerlichen Themen entlasten kann.
Rechnungsstellung im Reverse Charge Verfahren
Bei der Rechnungsstellung ist bei Anwendung des Reverse Charge Verfahrens folgendes zu beachten:
- Eine Reverse Charge Rechnung darf nur für bestimmte Leistungen ausgestellt werden.
- Der Leistungsempfänger muss zwingend ein Unternehmen oder eine juristische Person sein.
- Reverse-Charge-Rechnungen dürfen nicht an Endkunden ausgestellt werden.
- Die Rechnung darf keine Mehrwertsteuer ausweisen.
- Der Rechnungsbetrag muss der Netto-Betrag sein.
- Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) des Rechnungsausstellers (Leistungserbringers) muss auf der Rechnung genannt werden.
- Der Leistungsempfänger (Kunde) muss dazu aufgefordert werden, die Steuer an sein Finanzamt zu melden / abzuführen.
- Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers muss ausdrücklich erwähnt werden.
Wie sieht eine Reverse-Charge-Rechnung aus?
Ein kostenloses Formular mit Anleitung zum Ausfüllen einer Reverse-Charge-Rechnung finden Sie hier.
Im Grunde genommen können Sie die Rechnungsvorlagen verwenden, die Sie sonst auch nutzen. Denken Sie jedoch unbedingt daran, einen Hinweis auf die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens zu geben.
Dies können Sie z.B. durch folgende Formulierungen sicherstellen:
- ,,Steuerschuldübergang gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. Abs. 5 UStG“
- „Steuerschuldner ist der Rechnungsempfänger”
- „Rechnung enthält keine Umsatzsteuer, da die Steuerschuld beim Leistungsempfänger liegt (Reverse-Charge-Verfahren)“
- „Der Rechnungsausweis erfolgt ohne Umsatzsteuer, da vorliegend der Wechsel der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) greift. Die Umsatzsteuer ist vom Leistungsempfänger anzumelden und abzuführen.“
Der Rechnungsbetrag darf lediglich den Netto-Betrag ausweisen.
Fazit
Das Reverse Charge Verfahren, auch als Umkehrung der Steuerschuld bezeichnet, kann im B2B Bereich und bei grenzüberschreitenden Geschäften genutzt werden. Die steuerliche Abwicklung wird damit erheblich vereinfacht, allerdings sind für die Anwendbarkeit einige Voraussetzungen zu erfüllen. Zudem sollte zwischen Transaktionen, für die das Reverse Charge oder das OSS-Verfahren gilt, und reinem innergemeinschaftlichen Erwerb unterschieden werden. Lassen Sie sich bei diesem sehr komplexen Steuerthema unbedingt von einer erfahrenen Steuerberatungskanzlei unterstützen! Wir von der Datax GmbH stehen Ihnen gerne zur Verfügung. Lernen Sie uns kennen, bei einem unverbindlichen Erstgespräch!
FAQ
Reverse Charge bedeutet übersetzt “Umkehrung der Schuld”. Im Reverse Charge Verfahren im Umsatzsteuerrecht wird damit eine Umkehrung der Steuerschuld bezeichnet, bei der der Empfänger der Waren oder Dienstleistungen die Umsatzsteuer im Bestimmungsland ans Finanzamt abführen muss. Der Verkäufer stellt entsprechend lediglich eine Nettorechnung aus und weist auf die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens hin.
Grundsätzlich ist die Umsatzsteuer im Land des Käufers (Bestimmungsland) zu zahlen. Ausnahmen bestehen lediglich dann, wenn der Verkäufer insgesamt nicht mehr als 10.000 Euro Umsatz jährlich mit Verkäufen ins Ausland erwirtschaftet, in diesem Fall kann die Mehrwertsteuer ausnahmsweise in Deutschland abgeführt werden.
Im E-Commerce werden häufig Fulfillment Dienstleister in Anspruch genommen, wie zum Beispiel FBA. Für diese Leistungen kann in vielen Fällen das Reverse Charge Verfahren angewendet werden, da es sich um B2B Geschäfte handelt. Zuvor sollte eine detaillierte Prüfung durch einen Steuerberater erfolgen.